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DER STILLSTAND 1991-2018

Kunstmagazin überholt die Zeit
taz Köln Nr. 7392 vom 25.6.2004

"Überholen ohne einzuholen" - diese unfreiwillig satirische Politparole Erich Honeckers darf nicht fehlen, wenn sich die aktuelle Ausgabe, es ist die Nr. 12, des schrägen Kölner Kulturmagazins "Stillstand" dem Thema Überholen widmet. Wer wen warum überholt, ist die zentrale Frage: Der Rückschritt den eigenen Standpunkt? Die Innovation den Fortschritt? Der Bär die Rolltreppe - oder umgekehrt? Und warum lassen sich US-Tanks beim Einmarsch in Bagdad von einheimischen Autos links überholen?
Auf 36 DIN A 5-Seiten, gediegen gestaltet, bietet das Heft ein Gemisch aus Bildern und Texten über Kunst und Gesellschaft, gespickt mit vielen kleinen Widerhaken. Das reicht von Dada bis zur ernsthaften Sinnsuche, die sich an der aktuellen Politik reibt. Hans-Jörg Tauchert (einer der Herausgeber) sinniert über die Gewalt, die Frieden ermöglicht. Inge Broska berichtet von der Vernichtung des Dorfes Otzenrath durch die Braunkohlebagger, und R.J. Kirsch legt malerisch einen Mercedes der A-Klasse aufs Dach. Das zu lesen und anzugucken ist rundum Vergnügen.
Vor 13 Jahren erschien der erste "Stillstand", damals noch als "Stauzeitung": gewidmet all denen, die irgendwo im Stau stehen und dies genießen. Schließlich hat der Mensch nirgends sonst so viel Zeit zur Verfügung, um ungestört und kreativ nachzudenken. Und, so die Überzeugung der Macher, es soll sogar Menschen geben, die deshalb ganz gezielt Staus aufzusuchen. In den folgenden Nummern - sie erscheinen immer, wenn genügend Beiträge vorliegen - wurde sich am Stau abgearbeitet, den man sogar bis in den Weltraum verfolgte. Spätere Themenschwerpunkte waren "Gewalt" und "Ernährung".
Zum "Stammpersonal" des Magazins gehören neben den schon genannten unter anderem Jürgen Raap, Boris Nieslony, Parzival, Enno Stahl, Rolf Persch und Beate Ronig: Fast alle sind Künstler, Schriftsteller, Kunstkritiker und -theoretiker aus dem Umfeld der legendären Ultimate-Akademie. Nicht unbedingt die "Promis" der Kölner Szene, aber bekannt allemal und oft witziger, intelligenter und konsequenter als die gefeierten Größen: Ohne sie wäre Köln keine Kunst- und Kulturstadt."

Jürgen Schön

Manni makes the world go round, Humorversorgung West