PREVIEW
STILLSTAND
Ausgesuchte Artikel 1991-2018
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #7: Inge Broska | Zerstörung des vorletzten historischen Bauernhauses in Garzweiler (innerhalb von 20 Minuten)
Seit 4 Generationen wird mein Elternhaus in Otzenrath von unserer Familie bewohnt. Mein Opa war Seidenweber und kam nur aus dem Dorf heraus, wenn er die im Haus angefertigte Seide (der Webstuhl stand im Wohnzimmer) mit der Schubkarre in Krefeld, der Seidenstadt, ablieferte. Er lief ca. 50 km hin und 50 km zurück. Später arbeitete er als Nachtwächter (davon gibt es noch ein Diplom). Meine Oma wuchs im Waisenhaus auf und niemand im Dorf, außer unserer Familie wußte, daß sie unehelich, von einem reichen Ausbeuter und dem Dienstmädchen, geboren war.
Meine Mutter lebte ihr Leben lang in diesem Haus, mein Vater kam als "Städter" später dazu. Er lebte noch 15 Jahre ohne meine verstorbene Mutter im gleichen Haus. Zeitweilig lebten hier mehr als 10 Menschen zusammen. Nach dem Tod meines Vaters bin ich nach 31 Jahren wieder in mein Elternhaus zurückgekehrt.
Seit ca. 40 Jahren sind durch dieBraunkohle über 20 Dörfer östlich von Otzenrath verschwunden. Die Bagger stehen jetzt vor dem "Bogen" (ehemalige Bahnlinie von Otzenrath kurz vor der Autobahn). Ich kannte diese Dörfer wie meine Westentasche. Durch regelmäßige Besuche von Köln aus ist mir das Problem des Braunkohlentagebaus bekannt, jedoch seit ich hier wieder wohne, erfasse ich die ganze Härte dieses Raubbaus. In den bereits abgeräumten Dörfern lebten die Menschen in Angst und Schrecken. Immer besteht Gefahr, geplündert zu werden. Alte Menschen starben vor Kummer. Dorfgemeinschaften zerrissen und unzähliges Kulturgut wurde vor den Augen der Bewohner vernichtet. Durch anhaltenden Druck sind die verbliebenen Bewohner oft mürbe und würden lieber heute als morgen durch Umsiedlung der Ungewißheit ein Ende setzen. Als ich wieder hier einzog, konnte ich es nicht verstehen. Trotzdem wird hier noch viel Widerstand geleistet. In der Nachbarregion erklärt die Kirche, daß sie kein Land an Rheinbraun verkaufen will. Die beiden Kirchen in Otzenrath (katholisch und evangelisch) verhalten sich aber leider nicht solidarisch. Der Riß geht quer durch Freundschaften, Nachbarn und Familien.
Sobald ein Haus von Rheinbraun gekauft und leer wird, vermietet es Rheinbraun an seine Mitarbeiter oder läßt es verrotten, und das macht das Dorf kaputt, nach und nach. Bürgerabstimmungen gegen Rheinbraun haben auf diese Weise immer weniger Chancen. Der Abriss eines Hauses geht sehr schnell innerhalb einer halben Stunde, in 3 Wochen ist nur noch Gras zu sehen. Oft habe ich geträumt, mein Garten wäre auch schon ein Parkplatz, und wenn ich nach hause käme, säßen fremde Leute an meinem Küchentisch und verhandelten über den Kaufpreis meines alten Häuschens ohne meine Beteiligung.
Oft werde ich nach der Höhe der Entschädigung gefragt; Es gibt keine Entschädigung für Heimat, eine Gegend die man liebt und für verlorengegangene soziale Bindungen. Für ein altes Haus, welches nicht dem heutigen Standard entspricht, kann es ebenfalls keinen materiellen Ersatz geben. Bei der letzten Gemeindeversammlung wurden die gefährdeten, noch verbliebenen Dörfer der Gemeinde Jüchen (Otzenrath, Holz, Spenrath) von den Ratsmitgliedern der CDU und UÖWG mit 19 zu 17 Stimmen verkauft. Manche Unternehmer in der Gemeinde möchten an der Umsiedlung verdienen.
Inzwischen steht fest, daß der Tagebau, ein Fossil, längst überfällig ist und Konzepte für alternative Energien in den Schubladen von Rheinbraun schmoren. Materielle Interessen setzen jegliche Art von Denkmalschutz außer Kraft. Ungeachtet dessen erkläre ich mein Haus zum Heimatmuseum. Dies ist mein Protest gegen den Tagebau. In meinem Heimatmuseum sind alte Fotos aus dem Haus und dem Dorf Otzenrath zu sehen, sowie alte Küchengeräte und Fotos vom Abriß der Häuser durch Rheinbraun. Weiterhin kann man sich über alternative Energien, die den Tagebau überflüssig machen werden und Strom sparen, informieren.
Nicht nur Vergangenes, sondern auch die Gegenwart wird museal. so erkläre ich mein Haus, so wie ich jetzt dort lebe, zum Heimatmuseum.
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #13: Schumacher&Jonas | Unsere marokkanische Tuschezeichnung
Mitte der 90er Jahre kauften wir in einer Galerie in Essaouira, Marokko, eine Tuschezeichnung: eine Sure des Koran in stilisierter arabischer Schrift, vom Künstler auf das Jahr 1995 datiert. Über viele Jahre erfreuten wir uns an der ornamentalen Zeichnung, die ihren festen Platz in unserer Wohnung hatte, obwohl wir den Wortlaut der Sure nie herausfinden konnten.
Dann ereigneten sich die Anschläge des 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York – und nach und nach entdeckten wir die versteckten, doch prägnanten Bildbotschaften in der Zeichnung, die jene schrecklichen Ereignisse des 11. September detailgenau vorwegnehmen.
- 1. Die bauliche Eigenheit des W.T.C.: Aufhängung des Innenkörpers an Außenkonstruktion (später als Schwachstelle des Gebäudes erkannt, die den Einsturz bewirkte).
- 2. Ein Turm fällt in sich zusammen.
- 3. Die Zwillingstürme des W.T.C., New York (diese Bildmetapher prägt die Zeichnung in vielen Variationen).
- 4. Die T-Träger-Konstruktion, mit welcher der Innenkörper der Türme an seiner äußeren Hülle befestigt war (später als Material-Schwachstelle erkannt, die den Einsturz bewirkte).
- 5. Menschen stürzen sich aus Verzweiflung kopfüber aus den brennenden Tür ,men in die Tiefe.
- 6. US-Stealth-Bomber (verdeutlichen die US-Kriegsaktivitäten, die auf den 9.11.2001 folgen).
- 7. Die Zwillingstürme des W.T.C. aus der Vogelperspektive.
- 8. Das Flugzeug (die beiden Punkte daneben deuten an, dass es mehrere Flugzeuge sein werden).
- 9. Die „9" ( = September).
- 10. Die doppelköpfige Schlange des Bösen.
Die grauen Hervorhebungen wurden von uns zur Verdeutlichung hinzugefügt.
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #13: Christian Hasucha, Fremd in Neuhausen
Ein Projekt von Christian Hasucha
Auszug aus einem Text von Kai Bauer
Im Gemeinderat von Neuhausen auf den Fildern sitzt die Expertin für Stadtmarketing direkt neben ihm. Während sie darauf wartet, ihr Konzept den anwesenden Ratsmitgliedern vorzustellen, beginnt sie mit ihrem Nachbarn einen freundlichen Smalltalk: ob es nicht ziemlich warm sei „unter dem Ding". Nach einer kurzen Pause zuckt sie zusammen und liest sofort in ihren Unterlagen weiter, so, als habe sie versehentlich einen Garderobeständer angesprochen. Denn er bleibt stumm und wendet sich ihr nur mit einer Drehung des ganzen Oberkörpers zu, weil er sie seitlich nicht durch die winzigen Löcher, mit denen seine weiße Kopfkapsel übersät ist, sehen kann. Diese Bewegung wirkt allerdings grotesk, ja sogar arrogant und bedrohlich. Vor allem als er sie dann fixiert, um das Gesicht zur eben gehörten Stimme zu erkennen, erinnert er an einen Schmetterlingsforscher, der ein aufgespieß-tes Exemplar seiner Sammlung begutachtet. Das Projekt „Fremd in Neuhausen" gehört jedoch nicht zum Stadtmarketing, sondern wurde vom Kunstverein Neuhausen in der ersten Märzhälfte (2003) durchgeführt.
„Fremd" ist eine Kunstfigur, entwickelt vom Berliner Interventionskünstler Christian Hasucha. Über die Personen, die „Fremd" verkörpern, weiß man nur, dass sie männlichen Geschlechts und von ähnlicher Statur sind. „Er konnte weder sprechen noch sich mit Handzeichen verständlich machen.
Seine plastischen Umhüllungen behinderten die direkte Kommunikation mit ihm", schreibt Christian Hasucha in seinem Konzept.
Ohne etwas kaufen zu wollen, stellte er sich an der Kasse an. Foto: S. Hoffmann
Die Gemeinderatssitzung ist nur einer von über fünfundzwanzig Terminen, zu denen „Fremd" in Neuhausen eingeladen wurde. Er begleitete Damen beim Einkauf und beim Spaziergang. Er war eingeladen von Privatleuten nach Hause, zur Generalversamm-lung der Bürgergarde und zum TSV-Frauenturnen. Er erhielt eine Anlageberatung vom Leiter der Volksbank Fildern und musste eine Beinahe-Festnahme durch den Polizeiposten Neuhausen erleben. Immer schweigend, im sachlichen grauen Anzug, den Kopf in der eng angepassten Kapsel, auch die Hände in weißen Hartschalen. Die Vielfalt dessen, was „Fremd" an alltäglichem sozialen Leben in Neuhausen gezeigt wurde, ist beeindruckend. Im Vorfeld vermittelte der Kunstverein Neuhausen die Teilnahme an einer Ballettvorführung des Kulturrings, einer Führung zur zeitgenössischen Architektur und zweier Betriebsbesichtigungen. Bürgermeister Ingo Hacker ließ es sich nicht nehmen, persönlich mit dem schweigenden Gast eine Ortsbegehung vorzunehmen.
„Fremd" wurde von zwei Kindergärten, dem Bürgerzentrum, von einzelnen Abteilungen des Rathauses und vom Harmonikaspielring eingeladen. Der zweiwöchige Terminplan war dicht gespickt mit Einladungen und Treff-punkten im dreizehntausend Einwohner zählenden Städtchen „auf den Fildern", ein Hochplateau südlich von Stuttgart. Der Aufenthalt, der mit der Ankunft auf dem benachbarten Flughafen begann, sowie die Begegnungen „Fremds" mit Neuhausener Bürgern wurden fotografisch dokumentiert...
Fremd begleitet Susanne Hoffmann. Foto: S. Jakob
...Ein Großteil dessen, was er gesehen und erfahren hat, wird als Spiegelbild oder facet-tenreiches Porträt an die Neuhausener zurückgegeben. Die Präsentation geht von einer Vitrine aus, in der die Aktionsrequisiten gezeigt werden: zwei Kopf- und zwei Paar Handschalen mit mehreren Sets der dazugehörigen Kleidungstücke. Sie entwickelt sich über verschiedene Gruppierungen von Fotos, teils auf Leinwände belichtet, teils auf verschiedene Papierformate. Die Ausstellung zieht sich über das Treppenhaus in verschiedene Geschosse und Räume des Rathauses. In Amtstuben und Vorzimmern wurden teilweise Wandbilder abgenommen und durch Fotografien, die „Fremd" an eben diesem Ort zeigen, ersetzt. Dies führt zu visuellen Tautologien, bei denen die verschiedenen ästhetischen Sprachen subversiv einander angenähert und vermischt werden. Das Betrachten von Aufnahmen an den Originalschauplätzen bewirkt Irritation und Ambivalenz: „Fremd" wirkt einerseits merkwürdig vertraut und fügt sich mit bescheidener Selbstverständlichkeit in die Alltagsszenen ein. Gleichzeitig ist seine Erscheinung derartig reduziert und fremdartig, dass sie wie virtuell hineinmontiert wirkt. Zudem scheint sie von ihrer Umgebung jeweils eine neue semantische Aufladung zu erhalten. Diese komplexen Wechselwirkungen der real auftretenden Figur mit ihrem Umfeld unterscheidet „Fremd" auch von de Chiricos surrealen Gestalten oder Oskar Schlemmers Spielfiguren, die immer in eine ästhetisch gestaltete und damit fiktive und modellhafte Umgebung hineinkomponiert wurden. Besonders Fotosequenzen, die Fremd beim Besuch einer Familie in ihrer Wohnung zeigen, machen deutlich, dass Verhaltensweisen wie beispielsweise Dauer der Zuwendung, Kopfdrehen, Gerichtetsein des Körpers und andere Gesten, die zum Primärverhalten des Menschen zählen, ein Aktions-Reaktions-Schema und damit Kommunikation auslösen. Ausgerechnet diese Fotos wurden durch ein Computerprogramm zu virtuellen Filmsequenzen animiert und machen auf besonders sensible, heitere und manchmal rührende Weise nachvollziehbar, wie Verständigung nicht nur über verbalen Austausch, sondern auch durch die bestätigende Imitation von Gesten zustande kommt. „Fremd" als Kom-munikationspartner ist nicht nur „anders", sondern er erzeugt durch seine Passivität eine beklemmende Atmosphäre. Im Unterschied zu Fremden, die aus einem anderen Sprach- und Kulturraum zu uns kommen, verhindert die weiße Kopfkapsel nicht nur den verbalen Austausch, sondern auch das Ablesen von Emotionen und Stimmungen, die sich normalerweise im Gesichtsfeld abzeichnen, und die zentraler Bestandteil der nicht-verbalen Kommunikation sind. Die Reduktion des sprechenden menschlichen Gesichtes auf eine weiße, perforierte Kunststofffläche führt das Gegenüber an die Grenzen der Kommunikation. Oder sie beflügelt - wie Fremd es ebenfalls erfahren musste - die Projektion von Vorstellungen, Wünschen und Ängsten auf die Person mit der weißen Kopfkapsel. In den Situationen, in die er eingeladen ist, spielen alle das Spiel mit. Bei einem unerwarteten Zusammentreffen mit „Fremd" sind die Spielregeln nicht bekannt. Dort stört die Figur und erreicht sehr schnell die Grenzen der Toleranz und der öffentlichen Ordnung. Es tritt eine Situation ein, in der das Fremde nach den Worten der Psychoanalytikerin Julia Kristeva als das erscheint, „was Identität, System, Ordnung stört, das keine Grenzen, Positionen, Regeln respektiert". ...
Dekanatskirchenmusiker Markus Grohmann und Fremd an der Walcker-Orgel. Foto: S. Jakob
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #14: Werner Stapelfeld|Holz
Werner Stapelfeld
2006
Serie "Holz"
Die Ortschaft Holz kurz vor der Erschließung durch die Fa. Rheinbraun
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #10: Enno Stahl, Die Onanie-Gesellschaft: Volkssport & anale Fase
Die Onanie-Gesellschaft: Volkssport & anale Fase
Wichsen ist materieller Narzissmus. Das, was in der Welt eh passiert, legt hier Hand, nimmt hier Formen an.
Wichsen ist cool. Es beamt dich direkt auf einen anderen Planeten, der komplett dir gehört. Dort ist alles warm, weich & saftig: wie ein frisches Spanferkel von innen: wie ein blonder Vanillepudding kurz vorm Erstarren: wie ein Isotank, der alle andern Einfälle tilgt.
Die Annehmlichkeit rührt daher, dass man ganz in sich selbst verharrt: als autopoetisches System... Autark, sicher, versagensfrei. In der Welt wird diese Erfahrung suggestiv umgesetzt: Frauen & Männer basteln ihren Entwurf, so dass er fugenlos passt: in sich funktioniert, d.h. an allen Ecken & Enden liebenswert ist. Wohin du auch schaust, findest du nichts als Schönheit: gedankliche, spirituelle, körperliche Schönheit. Alles, was ich sage, ist so geil. Das allein ist wichtig, ich muss nichts hören, nichts sehen - außerhalb dessen, was mein & von mir ist. Dies gilt es zu bewahren, zu reproduzieren, vielfach zu replizieren, zu klonen.
Alle Selbstentäußerungen werden zu einer Struktur, deren Essenz immer dieselbe ist: jeder Zellkern enthält die Information: ICH. MEIN. MIR. Diese Strukturen dienen zur Regulierung des Alltags: zur Sektion der gegenständlichen Welt: zur Erzeugung von Zeit. Auch der Gebrauch der Oberfläche unterstreicht diese Grundinfo: etwas wird, ist, gefällt - an mir, durch mich, wegen mir.
Monade. Ist der Anfang, das Nervenzentrum einer Welt aus Fortsätzen. Genealogie des eigenen Denkens & Empfindens: sie verästelt sich in kapillaren Systemen, die letztlich so was wie meine Gliedmaßen sind. Umgekehrt muss ich alles behalten, alles. Was aus mir raus kommt, was mir gehört, muss ich bei mir behalten, ist es doch durch den Kontakt mit mir geadelt: unikalisiert: Midas-Touch... Eifersüchtig werde ich es bewachen & konservieren: alle sind so - die gesamte Gesellschaft befindet sich in der analen Fase. Sie (jede/r einzelne) möchte ihre Köttelchen für sich allein: seien es Worte, fesche Formen oder Erotik. Das ist so geil. Gleichfalls Selbstbefriedigung. Jedes, was da raus kommt, ist erneut Bestätigung: unterstreicht die Richtigkeit des Richtigen. Da Reden vor allem Monolog ist, nämlich das, was ich sage, ist der beste Dialog der mit dem Computer: denn er ist nichts als mein Spiegel. Auch in sexueller Hinsicht kann man das so sehen: ich trete ein in diesen Raum, er ist warm, weich & saftig: produziert wird er in meinem Kopf.
Der perfekte Befriedigungsraum ist Cyber, hier dupliziert sich der clevere Onanist - erlebt den Orgasmus materiell und gleichzeitig in projizierter Form auf der ‘Hirnscreen´. Möglich, dass die stoffliche Ebene irgendwann wegfällt. Nicht weiter schlimm: die Schnittstelle gewährleistet eine ‘Connection´ zu gleichartigem Sex-Niveau: schafft neue & mehr Dispositionen: indem Fantasien hier umgesetzt werden - in Realität. Die körperlichen Begrenzungen hören auf: schrankenloser Selbstverkehr. Alles, was "in echt" nicht geht oder erlaubt ist, wird Tatsache.
Auch die Materie wird innovativ erweitert: genetische Optimierung, körperechte Prothesen - 2, 3 Schwänze/Mösen gleichzeitig stimulierbar: Kombinationen aus Mösen & Schwänzen, Männer & Frauen verstehen sich besser, gleichen sich an, Unterschiede verschwimmen, verschwinden, werden überflüssig - wobei bereits Verstehen überflüssig ist, denn alle sind in sich abgeschlossene Einheiten: wir sind Sonden der Lustrelationen: gut/schlecht für mich. Das entscheidet jede/r für sich selbst und das lastet aus zu Genüge.
Wie anheimelnd z.B. die Meditation über den eigenen Bauchnabel, stundenlang kann ich das tun. Und mich herum sind alle genauso beschäftigt: in sich hinein lauschend: konzentriert & staunend. Ich bin so ein Wunderwerk! In meiner Einmaligkeit! Eine Gesellschaft aus Wunderwerken: stumm stehen sie da: gehen in sich & wichsen. Millionen, Milliarden von Einzelstücken, Monaden. Wichsen, als ginge ‘s um die WM. Geht es auch: höher, schneller, weiter!
Klatsch! Sprotz! Zlatsch!
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #14: Humorvesorgung West | Morbus mobilis
Hans
Paul
Joe
Martin
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #3: H.J.Tauchert | Volk im Raum
Mit dem Thema seiner 4. Ausgabe verläßt DER STILLSTAND den Bereich der Anziehungskraft irdischer Verkehrsstaus und wendet sich den weitaus ungemütlicheren Weltraumstaus zu. Auf den ersten Blick scheint der Weltraum, weil zu leer und zu groß, keine Chance für Staus zu bieten; das Gegenteil ist der Fall. Leider gibt es eine Einschränkung: Das Stauvolk bleibt vom hautnahen Staugeschehen ausgeschlossen. Volk im Raum, die alte, hier leicht verdrehte Verführerformel, muß grundsätzlich Raum ohne Volk lauten. Die im Raum vom Volk isolierten Staus, auch wenn sie noch aufder Erde stattfinden, sind dadurch unan-schaulich und unsinnlich geworden. Das mag auch ein Grund für das große Desinteresse an der sogenann-ten Eroberung des Weltraums sein, so daß kaum noch jemand zwischen Discovery, Columbia, Challenger, Atlantis, Magellan, Calypso unter-scheiden kann. Nachrichten über Landungen und Starts von Raketen gehören in der Regel zu den kürze-sten, wenn sie überhaupt erwähnt werden. Daran ändert auch nichts die 1985 gegründete Organisation ASE (Association of Space-Explorers), der 90 Raumfahrer angehören, unter ihnen sogar 3 Nichtschwindelfreie.
Reinhold Tilings erste Spreizflügelrakete, 1931
Da nur der Staat und das Militär die 90 Ausemahlten fier ihre Zwecke vermarkten, nicht aber die Werbung, hört man zum Glück wenig von ih-nen_ Diesem kleinen Kreis von Menschen vom Umfang eines Skatclubs, den einzigen am Stau Beteiligten, geht es nicht anders. Eingewickelt in Ganz-körperwindeln aus Aluminium als Schutz vor der kosmischen Strahlung, umgeben von nach Bedienung schreienden Instrumenten, sind sie nicht in der Lage, einen sinnlichen Hautkontakt zu ihrer Umgebung her-zustellen. Aber was ihnen am meisten fehlt und was das Schönste am irdi-schen Verkehrsstau ist: Endlich, trotz Gravitation und vorübergehend losgelöst von allen Verpflichtungen, Zeit zu haben. Deswegen bleibt auch der Aufenthalt im Weltraum so kurz wie möglich.
Nur die Russen, vom irdischen Verkehrsstau noch nicht verwöhnt, halten den Rekord von 211 Tagen. Insgesamt jedoch, so die tröstende Einsicht, bringt auch der Weltraumfahrer im irdischen Stau mehr Zeit zu. Hier nun ist es an der Zeit, den Begriff Stau näher zu definieren und weltraumtauglich zu machen. Beim Verkehrsstau wird das ursprüngliche Ziel, so schnell wie möglich vorwärts zu kommen, ins Ge-genteil verkehrt, sogar ohne äußere Einwirkungen. Der technische Kol-laps zwingt zu einem Mehraufwand an Technik und damit zu einer Systemerweiterung, wodurch alles noch komplizierterund stauanfälliger wird. Zur Freude nur der Staufreun-de. Mit Hilfe der Hochtechnologie entsteht ein Gebirge aus immer höher gelegenen "Hochstaus". Einfache Lö-sungen werden unmöglich, so daß der Fortschritt an eine Stelle kommt, an der die ursprüngliche einfache Beherrschung des technischen Systems auf Null sinkt. Trotz immenser Geldausgaben verliert nun die Wis-senschaft die Lust und wendet sich dem nächsten Stauprojekt zu Dazu zählen der schnelle Brüter in Kalkar und demnächst alle weiteren Atomkraftwerke Auch der inzwischen hochtechnisierte Krieg ist ein Musterbeispiel für ein Megastau-projekt. Der Staufreund unterscheidet so zwischen dem negativen, zerstörerischen Stau und dem positiven, die Bedürfnisse des Menschen fördernden Stau (letzterer ist wirklich recht selten). Stau ist also die mit technischen Mitteln herbeigefuhrte Umkehrung der ursprünglichen Absicht. Der Stau funktioniert nach den Gesetzen der Dialektik. Die Umkehrung kann schnell wie bei einer Explosion oder langsam wie beim Verfall zur Ruine vonstatten gehen. Ein Beispiel für letzteres sind die selbstverursachten, nicht komposti erbaren 40 Millio-nen Metallteile, die sich als Abfallglocke um die Erde legen und jeden Aufstieg und jede Umrundung mas-siv behindern. Weltraumfahrt dient so gesehen der Herstellung von teurem Abfall, der mit weiterem Einsatz aufwendiger Technik wieder besei-tigt werden muß Die Pläne reichen his hin zu dem Vorschlag, mit einer Art Staubsauger aufzuräumen, erklärte ESA-Direktor Fredrik Engströrn(Um diesen Namen benei-den ihn alle Staufreunde). Die besten Staus sind natürlich auch die teuersten. So kamen STAUFREUNDE 1986 bei der Explosion der Challenger Fähre voll auf ihre Kosten, nur getrübt vom schnellen Tod der Besatzung. Auch der Gau, der größtmögliche Unfall, ist nur ein schneller Stau. Für 4 Jahre Bauzeit waren 9 Milliarden Dollar nötig, die sich natürlich nicht mit in Luft aufge-löst haben, sondern immer noch da sind, nur im Besitz anderer, nämlich reicher Hochtechnologiefirmen, un-ter Zurücklassung einer Menge armer Menschen.
Weltraumtechnik dient der Armut. Die USA beherbergen 50 Millionen Arme. Eine Aufhebung dieses Ungleichgewichteskann nur der techni-sche Stillstand bringen, wovon Staus erste Anzeichen sind. Ein anderes, noch gigantischeres Stauprojekt der US-Wirtschaft erfreut und lähmt die Staufreunde nun schon seit 10 Jahren. US-Präsident Reagan formulierte es am 23. März 1983 folgendermaßen: "Daswir strategische Raketen abfangen und vernichten bevor sie unseren Bodcn erreichen...". Auf die einfachste Lö-sung, Raketen gar nicht erst aufzu-stellen, auf den Stillstand also, kam niemand. Einen ordentlichen Stau zu fabrizieren, war nun mal wichtiger. Dieses SDI-Programm richtete sich primär gegen die Sowjetunion und sollte gleichzeitig der USA helfen, den Hochtechnologieweltmarkt zu beherrschen. Unser Bundespräsident und die deutsche Wirtschaft-West jubelten (gibt es einen Unterschied zwischen beiden?); wir wollten wenigstens Trittbrettfahrer der Ver-nichtungstechnik sein. SDI sollte einen nuklearen Krieg mit Hilfe neuer Weltraumwaffengewinnbar machen. Nach einem Erstschlag verhindert der Schutzschirm einen Gegenschlag. Er sollte im Jahre 2005 aufgespannt sein Nachdem aber die Sowjetunion auf halbem Wege schlapp machte, also nach vielen Staus den Stillstand vorzog, ist der Schutzschirm uberflüssig geworden und die USA kann sich voll und ganz dem Angriffspotential widmen. Niemand kann sie an einer weiteren Aufrüstung mehr hindern Ihre Raketen richten sich nun gegen den Rest der Welt, der im Falle eines Atomkrieges sowieso dran gewesen wäre In seinem Buch "Kinder des Welt-alls" rechtfertigt Hoimar von Ditffirth jede Anstrengung zur Erforschung des Weltraums, auch unter Verzicht neuer Schulen usw., um ein hehres und reines Weltbild destillieren zu können. Dieses Weltbild ist jedoch ein mit Naturwissenschaft getarnter Wahn-sinn. Verbirgt sich doch dahinter der patriachalisch neurotische Zwang zuforschen und vorwärtszukommen um jeden Preis
Tauchert, Staubüro Köln
PREVIEW
STILLSTAND
DER STILLSTAND #10: R.J.Kirsch | Slendertone oder Der angeschlossene Mensch
"In den vergangenen zwei Jahren hat amnesty international in 22 Ländern Produktion von oder Handel mit Elektroschockwaffen registriert. Die führende Rolle im weltweiten Handel mit den Elektroschockern spielen die USA mit 97 Produzenten oder Anbietern. Aber auch in Deutschland werfen 30 Firmen solche Ausrüstung auf den Markt. Trotz der 1997 auf Forderungen von ai eingeführten Exportkontrollen für Elektroschocker in Deutschland fehlt noch immer jede Transparenz der Ausfuhren. Mit welchem Zynismus Geschäfte mit Folterinstrumenten gemacht werden, belegt die Aussage eines Anbieters, die sich in der ai-Dokumentation findet: »Elektrizität spricht jede Sprache. Sie braucht keine Übersetzung. Jeder Mensch hat Angst vor Stromschlägen und das zu Recht«, so Dennis Kaufmann, Direktor von Stun Tech Inc., einer US-amerikanischen Firma, die Elektroschockgürtel herstellt. Per Fernbedienung können Stromstöße von 50 000 Volt ausgelöst werden. Die Elektroden befinden sich in der Nähe der Nieren und fügen dem Opfer große Schmerzen zu. "
junge Welt, 26.02.2001
Strom und Fleisch
Ich erinnere mich noch genau wie erstaunt ich war, als ich zum erstenmal eine elektrische Leitung aus dem Hosenbein meines Vaters hängen sah.
Praktisch veranlagt wie er war und als gestandenes Mitglied des Deutschen Erfinderverbandes, trug er ein Heizkissen in der Hose, um seinen schmerzenden Ischiasnerv zu therapieren. So mußte er seine Aufenthaltsorte nach der Lage von Steckdosen ausrichten. Lange bevor der Netzwerkgedanke unsere Welt veränderte, war er also Teil eines Systems geworden, indem er, zumindest solange sein Ischias ihn plagte, auf einen nahen und kompatiblen Terminal angwiesen war. Wenn Information die Veränderung von physischen und psychischen Zuständen unter der Einwirkung von energetischen Feldern bedeutet, dann war mein Vater vor der Erfindung des Internets bereits online gegangen.
Als Luigi Galvani, Prof. für Anatomie in Bologna, 1780 mit seinen berühmten Froschschenkeln experimentierte, stimulierte er ebenfalls deren Ischias. Der Schenkel eines sezierten Frosches begann durch Kontakt mit elektrischen Spannungspotenzialen zu zucken. Die Elektrizität hat sich seitdem mächtig entwickelt. Zwischen den Gewohnheiten meines Vaters und den galvanischen Experimenten liegen nun gut ca 200 Jahre. Bis heute ist aber die Faszination an der Elektrisierung des Körpers bestimmend geblieben. Seit der technischen Nutzbarmachung des Stroms wurde die Kreatur eine angeschlossene, die zunehmend gezwungen ist, sich in der Nähe einer Steckdose aufzuhalten. Das galt noch nicht für den Frosch, aber spätestens für die ersten Manufakturen, später für alle Haushalte, für meinen Vater mit seiner portable Heizdecke, und schließlich für die ganze Welt im Zeitalter ihrer vollständigen Digitalisierbarkeit. Unser Leben kann zum Teil nur noch durch das Prinzip der Steckdose verstanden werden. Die neuen Kommunikationstechniken erlauben es dem Menschen immer öfter der Schwere seiner Existenz zu entgehen. Auf diese Weise verfeinert, sozusagen ins elektronische sublimiert begegnen wir dem Strom eigentlich nicht mehr in seiner sinnlichen Qualität. Noch Allessandro Volta, Prof.für Physik in Padua, erstellte 1792 eine Spannungsreihe verschiedener Metalle anhand der Geschmacksempfindung auf seiner Zunge. Ein derartig direkter Zugang zur Elektrizität ging im Zuge von Funktionalisierung verloren und würde heute ernsthaft nur noch durch Kückelhausseminare vermittelt.
Studien zur Elektrizität
elektr. Essbesteck
Graphit auf Papier,
30x40 cm, 2002">
Eine Chronik des Stromschlags kann von vielen traurigen Begebenheit berichten, es wäre hauptsächlich von Unfällen die Rede. Der amerikanische Zahnarzt Dr. A.Southwick wurde 1881 Zeuge eines solchen. Ein betrunkener Mann berührte einen Stromgenerator und war sofort tot. Southwick erzählt seinem Freund Senator McMillan von diesem Ereignis und im selben Monat sprach der Senator noch mit Gouverneur Hill, daß man mit Elektrizität doch endlich das grausame Hängen ersetzen kann. Der Erfinder Thomas Edison bekam den Auftrag, die Möglichkeit einer Hinrichtung durch Elektrizität zu untersuchen. Er experimentierte an Hunden, Katzen und Pferden. 1888 wurde in New York die elektrische Hinrichtung eingeführt.
Kein physikalisches Phänomen paßt als Mord-und Foltermedium besser in unsere Zeit als der elektrische Strom. Seine Einwirkung hinterläßt kaum äusserliche Spuren. Mit der Humanität ist es allerdings nicht so weit her. Einen Menschen mit Strom zu töten ist prinzipiell kein Problem. Bei etwa 50 Ampere würde allerdings nicht viel vom Verurteilten übrigbleiben, ein Umstand der angesichts der Augenzeugen, die gesetzlich bei jeder Vollstreckung anwesend sein müsssen nicht vertretbar wäre. Nach einem Bericht amerikanischer Executionsspezialisten liegt die korrekte Stromstärke bei 2640 Volt und 5 Ampere. Dabei werden meist mehr als zwei Stromstösse benötigt, um den Delinquenten zu töten, dessen Körper nach 2 Minuten eine Temperatur von ca.80°C erreicht. Der Rest läßt sich denken.
Immerhin wird auf dem Stuhl die Liason von Strom und Fleisch auf den Höhepunkt getrieben. Rien ne va plus.
Erweitern wir unsere Geschichte des Stromschlag um die therapeutischen Anwendungen. Die Geschichte der modernen Medizin ist eben auch die der dosierten Stromschläge. Apparatemedizin arbeitetet in weiten Teilen mit elektrischen oder der Elektrizität verwandter Phänomene. Als das Plus am Minus, (die Einteilung +/- stammt übrigens von Georg Christoph Lichtenberg, 1742-1799) schafft sie mit ihren Anwendungen ein vibrierendes Klima, eine Heilstimulation. Roentgen, Mikrowellen, Tomographie oder PET sind die Großtechnologien in dem Projekt, keinen Leidensbereich, keine Körperregion ladungsneutral zu belassen.
Slendertone
Da sind wir doch froh, wenigstens in unserer Freizeit zu bestimmen, wie wir uns elektrisieren wollen. Das Auge, den Mundraum, das Ohr oder vielleicht den Bauch. Elektrische Bauchtrainer haben Konjunktur. Immer wenn ich gerade meine Auge elektrisieren will, springt mir diese nie enden wollende amerikanische Bauchtrainerreklame ins Gesicht. In einer mehr oder weniger verschwitzten Vorlesung werden dann die katatonischen Zuckungen der Studiogäste vorgeführt.
Galvani lässt grüßen. Meinem Vater hätte das gefallen. Als Erfinder des Internets und Ischiasanhänger wäre er sicherlich auf seine Kosten gekommen. Leider liegt er nun schon seit Jahren in einer Kupferurne auf dem Krefelder Zentralfriedhof.
Endlich offline.
Studien zur Elektrizität
Handy
Graphit auf Papier,
30x40 cm,
2002